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Die Galerie mit  dem roten Punkt
St.Alban-Vorstadt 57, 4052 Base
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Michel Käppeli

Geboren 1956
Ausbildung an der Kunstgewerbeschule
Basel; Aufenthalte in Griechenland und Finnland; Zeichnungen, skulpturale Objekte, Lichtmalerei,Klang- und Fotoarbeiten; diverse Ausstellungen in Finnland und der Region Basel; lebt und arbeitet in Kiffis/F.
www.artwater.ch


 

1. Einführung / Entschleunigung

Dunkelheit / Black Box
Schon vor meinem Motorradunfall hatte Dunkelheit eine übergeordnete Bedeutung. Damals war Dunkelheit (ich bezeichnete sie als Black Box) Ausgangspunkt für die Erschliessung neuer Bild und Zeiträume.
Auch die Ausdehnung und Verdichtung von Zuständen im Bereich von Sekundenbruchteilen war Teil meiner Arbeit.

LichtPerformance / Klang
In Performances mit Lichtmalerei wurden in dieser Black Box ganze Handlungen in ein fotografisches Bild gewoben. Der Klang als Leitfaden der Entschleunigung verlangsamte sich entsprechend als akustisches Mass der Zeitausdehnung.

Grenze / Zwischenraum
Eine intensive Erfahrung war ein Unfall, der mir Momente der Entschleunigung auf sehr konkrete Weise offenbarte.

Entschleunigung / Transition
Ein vom Strassenrand plötzlich ausscherendes Auto schoss seitlich in meinfahrendes Motorrad. Noch vor dem eigentlichen Aufprall hatte mein Körper auf Notbetrieb umgestellt und als erstes das visuelle Vermögen eingestellt. Die Wahrnehmung von Zeit widerspiegelte sich in der akustischen Wahrnehmung, die das Geschehen extrem langsam interpretierte. Langgestreckte Kratz- und Poltergeräusche in tiefen Tönen (hohe Frequenzen fehlten ganz) schienen sich endlos hinzuziehen bis sich endlich vollkommene Ruhe einstellte. Die Grenze des Rationalen war überschritten.

Beleg
Erst der Polizeirapport gab Aufschluss über das Geschehene: ein Text, der den erinnerten Klang neu interpretierte. Wie sich erwies, manifestierte sich nicht nur eine Grenze zwischen physischer, visueller und akustischer Gegenwart, sondern auch eine geographische. Ich wurde auf Schweizerboden erfasst und achtundzwanzig Meter weiter über die französische Grenze geschleudert.

Sehnsucht
Diese Erfahrung von Grenzüberschreitung im eigentlichen wie im übertragenen Sinne, stellt fortan ein prägendes Element meiner Suche nach nicht erschlossenen (Zwischen-) Räumen dar.


2. NachtArbeit

Ein Grenzfluss
Der Fluss Lucelle / Lützel im gleichnamigen Tal bildet die Grenze zwischen der Schweiz und Frankreich.

Grenzort
Im grellen Scheinwerferlicht erscheint die kurze Abzweigung zur Brücke über die Lucelle, die ich überquere. Auf dem Natursträsschen wende ich das Auto und fahre rückwärts zur nächsten kleinen Brücke. Sie überquert den Bach, der hier in die Lucelle einmündet.

Übergang
Ich schalte den Motor aus und sitze für einen Moment von Dunkelheit umgeben in dieser Stille. Bevor ich das für die Aufnahmen benötigte Material auslade, ziehe ich mir die Fischerstiefel mit Neopren-Latzhose an und gehe ans Wasser.
Wie sich die Augen etwas an die Dunkelheit gewöhnen und nur die unmittelbare Umgebung wahrnehmen, überwältigt mich der akustische Raum. Der Klang des Wassers wie ich ihn bei Tageslicht erlebe, erkenne ich kaum wieder. Er beschreibt sich eher als Gemurmel, das mal hinter mir, mal neben mir in Gelächter ausartet. Tiefe Töne wandeln sich zu Männerstimmen die sich unterhalten.
Im Lichtkegel der Taschenlampe finde ich die Stelle, wo sich der Bach mit der Lucelle vermählt. Ich stehe reglos da. Wie mir scheint, von zahllosen Geschöpfen umgeben.

Vision
Was ich mir bei Tageslicht vorstelle, scheint hier abstrakt: Zeit anhalten. Oberfläche durchdringen. Den Strom aufhalten. Einen Zwischenraum extrahieren. Im Datenfuss, im Bilderrauschen. Gegenwart. Destillat der angehaltenen Zeit.

Medium
Das Flüchtige mit dem Medium Fotografie einfangen. Mit dem Medium, das noch einen dokumentarischen Anspruch erhebt, durch die digitale Revolution den Realitätsbezug aber fast schon überwunden hat. Dieses Medium auf seine Grundfunktion reduzieren. Ohne Ballast von Gehäuse, Optik, Elektronik, direkt in einen Zwischenraum eindringen. Belichten. Bilder wie Hostien empfangen.


Zeit

Nacht. Neumond. In China wird Neujahr gefeiert.

Raum
Klar vom Himmel abhebend, wirken die Silhouetten der Bäume wie Säulen im Hauptschiff einer Kathedrale. Wie ein Priester will ich einen unbekannten Raum in Körper verwandeln, verbildlichen, was sich dem Sehen entzieht.

Vorbereitung
Im Schein der Taschenlampe suche ich die Wasseroberfläche ab. Der konstanten Veränderung und der unerträglichen Möglichkeiten von Bildinhalten ausgesetzt, wähle ich einen Ort für die Extraktion.
Damit der Filmhalter plan zur Wasser-Unterfläche zu liegen kommt, unterlege ich das Gestell mit Steinen. Am Ufer hole ich den Filmhalter. Ich entpacke den Wasserdichten Planfilm und lege ihn unter die Wasseroberfläche.

Empfängnis
Ich benetze mein Gesicht mit dem eiskalten Wasser.
Einen Moment lang verharre ich, langsam atmend, wie es bei einer kultischen Handlung so verlangt würde. Entnehme meiner Tasche das Infrarotgerät, mit dem ich den Blitz aus der Ferne auslöse. Wegen der starken Strömung wirken meine Bewegungen ziemlich unbeholfen.
Der Blitz zerreisst die Dunkelheit. Die anschliessende Blindheit wirkt wie Händedruck auf meinen Augen. In diesem Zeitfragment scheint auch der Klang unterbrochen. Dieses Zeitfenster erhellt die ganze Umgebung und loggt sich in meiner Erinnerung ein.

Beleg
Das Resultat vom Labor nehme ich wie ein Befund vom Arzt entgegen. Was sich dem herkömmlichen Sehen verweigert, ist gebannt. Ein Zwischenraum ist entstanden.

Material
Von diesem Ort sind nebst fotografischem Material auch Klang-Aufnahmen
von der Wasser-Oberfläche und simultan von der Wasser-Unterfläche
entstanden.