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Urban Saxer

Geboren 1956 in Aarau
Ausbildung an der Kunstgewerbeschule Basel
Lebt und arbeitet
als freischaffender Bildermacher in Basel

www.saxerbildart.ch


 

Bild oder Abbild?
Wer heute Bilder macht, läuft Gefahr, in einer visuellen Flut unterzugehen, es sei denn, es gelänge ihm, in den Bildern eine Dimension zu berühren, die die Oberfläche der schnellen Wirkung durchstösst. Wenn hinter dem, was auf den ersten Blick zu sehen ist, sich eine Welt öffnet, die sich einfacher Erklärung und vollständiger Kontrolle entzieht, kann bisweilen ein Zustand eintreten, der bemaltem Stoff einen Hauch von Magie zuträgt. Für diesen Vorgang bin ich als Maler nicht alleine verantwortlich, stets bedarf es dazu auch eines offenen Betrachters. us 2001

Gespräch mit Martin Meyer im Atelier von Urban Saxer vom 21. September 2006, einen Monat vor der Ausstellung: „Malerei der stillen Unruhe“

Viele Künstler äussern sich nicht schriftlich über ihr Werk. Nicht so Urban Saxer: es gibt erfreulicherweise einige Texte von Ihnen über Ihre Arbeit. Ärgerlich für mich ist allerdings, dass ich nicht alles verstehe...

Ich verstehe auch nicht alles ...

Also zum Beispiel im Text „Die Zeit der weiten Flächen“ steht: „Die greifbare Anwesenheit von Gegenständen [in den Bildern] wird durch die Ungreifbarkeit der sie umgebenden Flächen in eine Schwebe gebracht, die keine Sichtweise festlegt, sondern Zeit für deren Gewinnung freisetzen will“. Der zweite Teil ist mir unklar.

Das soll heissen, dass die Gegenstände nicht in ihrem erwarteten Umfeld auftauchen. Eine Frucht liegt nicht in einer Schale, sie liegt in einem undefinierten Raum. Sie könnte 2 Meter Höhe haben sein, oder auch nur 2 cm. Es gibt keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen Gegenstand und Umgebung, wie beispielsweise bei einem holländischen Stillleben. Bei einer naturalistischen Darstellung liesse sich der umgebende Raum (Tisch, Wände etc.) messbar erfassen. Dies will ich vermeiden, indem ich keine messbaren Grössen liefere. Dadurch ist der Betrachter gezwungen, seine eigene Vorstellung und Definition einzubringen.

Schön, und wenn Sie das von Anfang an gesagt hätten, hätte ich jetzt nichts Neues mitbekommen... Etwas anderes ist mit aber von Anfang an aufgefallen: Offensichtlich sind die von Ihnen gemalten Gegenstände – Früchte, Vasen, Krüge etc – sehr plastisch, sehr körperlich dargestellt. Die „Umgebung“, der sie umgebende Raum, ist hingegen wie leer, abstrakt, ungreifbar – und das gibt eine merkwürdige Spannung. Ist das gewollt?

Ich kann nicht sagen, ob das gewollt ist, aber es hat sich so entwickelt. Es steckt kein künstlerisches Konzept dahinter. Ich brauche einfach keinen naturalistischen Hintergrund mehr, um mich im Bild wohl zu fühlen. Der neutrale Hintergrund schafft jene Offenheit, die der Betrachtung jede Freiheit lässt. Wenn ich im Hintergrund ein Tapetenmuster mache, lege ich eine bestimmte Räumlichkeit fest. Wenn ich das nicht mache, besteht die Möglichkeit, dass der Raum offen bleibt. Natürlich setze ich dies jetzt sehr bewusst ein, aber ich möchte nicht behaupten, es erfunden zu haben.

Und vor diesem offenen Raum befinden sich die Körper ...

...und wenn man es umkehrt, haben Sie das Gegenteil. Es spielt keine Rolle, ob der Raum vorne oder dahinter ist. Es hat durchaus Beispiele, wo Gegenstände von abstrahierten Flächen überschnitten oder angeschnitten sind. Was passiert dort? Genau dort wird es spannend: Was ist hinten, was ist vorne? Da ich den Raum nicht naturalistisch, sondern offen definiere, kann ich ihn auch vorne hinstellen, (zum Beispiel bei dieser grossen blauen Fläche vor der Birne) und dies erlaubt mir ein zusätzliches Spiel mit Hinten und Vorne. Interpretiere ich das Blau als Himmel, kann ich sozusagen durch die Birne hindurchschauen. Dann ist das Blau im Vordergrund tiefer als der sogenannte Hintergrund, der hinter der Birne ist. Damit schaffe ich Durchsichten, die nicht der visuellen Erwartung entsprechen, sondern andere Blickwinkel eröffnen – wenn alles gut geht. Aber es kommt natürlich auch vor, dass es nicht gut geht ....

Gewisse Objekte – Krüge, Schalen, Äpfel, neu Wäscheklammern etc. – kommen immer wieder auf Ihren Bildern vor. Ich frage mich, ob dies eine Art Metaphern sind?

Die Metapher z.B. des Gefässes als etwas Umschliessendes oder Bewahrendes, ist für mich viel weniger wichtig als man vielleicht meint. Der metaphorische Bezug ist nett („nice to have it“), aber das Zentrale an diesen Objekten ist für mich die Modulierbarkeit. Es sind einfache, klare Formen. In ihren Ausdrucksmöglichkeiten sind sie aber äusserst vielfältig. Ich kann eine Vase sehr breit oder sehr schlank, sehr gross oder sehr klein malen, sie bleibt immer und sofort als Vase erkennbar. Ich kann einen Ausdruck schaffen, ohne für die Erkennbarkeit der Vase etwas tun zu müssen. Diese Formbarkeit steht vor der Metapher. Man darf einen Apfel durchaus als Apfel wahrnehmen, entscheidend ist aber die Erscheinung als Objekt auf einer Bühne in seiner Körperlichkeit, im Licht- und Schattenspiel, im Volumen. Die Oberflächenstruktur ist bereits weniger wichtig. Natürlich gibt es recht viele Objekte, die in die Höhe streben, dort ist es naheliegend, diese auch als figürliche Metapher zu sehen.

Aber Menschen malen Sie nicht?

Ich könnte jetzt ganz frech behaupten: doch. Ich male aber nicht figürlich. Wenn ich Personen direkt zu malen versuchte, käme ich aufs Glatteis. Ich bin ein figürlicher Analphabet (und habe es daher schon sehr lange nicht mehr gemacht, vielleicht müsste ich es wieder einmal probieren). Aber mein eigentliches Interesse ist es, über die Bande zu spielen (kommt dieser Ausdruck vom Billard?). Wenn man meine Objekte metaphorisch verstehen will, dann geht es in diese Richtung. Über die Bande spielen heisst für mich, eine Vase so zu strecken, bis sie auch einen figürlichen Ausdruck erhält. Bei meinem neusten Objekt, der Wäscheklammer, lege ich mich vielleicht am Meisten fest. Aber auch eine Birne kann ich ebenso als Objekt sehen, wie als figürlichen Zustand. Ich schiesse nicht direkt aufs Ziel, ich gehe den indirekten Weg. Deshalb ist auch die Frage, ob meine Malerei nun gegenständlich oder pseudofigürlich, symbolistisch oder realistisch sei, nicht zu beantworten. Sie ist überall zwischen Stuhl und Bank.

Die Ausstellung wird heissen: Malerei der stillen Unruhe.

Der Titel geht darauf zurück, dass bei einer früheren Ausstellung eine Betrachterin meinte, die Arbeiten würden sehr ruhig wirken und mich fragte, ob ich selbst auch so ruhig sei? Ich musste mit Nein antworten, denn ich bin eigentlich das Gegenteil dieser Bilder. Diese Frage brachte mich darauf, dass genau in diesem Widerspruch etwas Treffendes liegt und kam dann auf den Begriff der „Stillen Unruhe“. Die Bilder kommen eher still und unauffällig daher, und doch stimmt beim zweiten Hinsehen irgend etwas nicht ganz (das hoffe ich wenigstens). Die Senkrechten sind meist nicht ganz senkrecht, die Objekte sind vielleicht nicht genau dort, wo man sie erwartet.
So ist dieser Begriff entstanden. Ich wünsche mir, dass man nicht bereits nach dem ersten Hinschauen mit dem Bild fertig ist. Man sollte das Bild auch ein zweites Mal anschauen können und noch Fragen an das Bild haben. Oder umgekehrt: Das Bild sollte auch längerfristig Fragen an den Betrachter stellen und Interesse wecken.

Eine gewisse Irritation?

Ja, eine Irritation, genügend fein, dass sie nicht belästigt, aber genügend stark, dass sie nachwirkt, das wäre die Idealvorstellung. In diese Lücke hinein stösst der Begriff der stillen Unruhe.

Mich irritiert bisweilen auch, dass die Objekte in den Bildern je nach meiner Stimmung verschieden erscheinen können; mal sinnlich nahe, ja fast bedrängend, dann wieder weit entrückt und unerreichbar. Hängt das mit den undefinierten Grössenverhältnissen zusammen, die Sie zu Beginn erwähnt haben?

Diese Frage fasse ich als Kompliment auf, danke. Ich kann mir vorstellen, dass der Verzicht auf die fassbare Grösse etwas zu einer emotionalen Ambivalenz beitragen könnte.

Sie zeigen auf einem Video den Entstehungsprozess eines Bildes.

Das Video soll die (öfters gestellte) Frage nach der Technik oder Methode meiner Malerei anschaulich beantworten.
Ich arbeite recht lang an meinen Bildern. Zu Beginn sieht man den Prozess der Bildkomposition in Form der Vorzeichnung. Das Schwierige dabei ist das Umsetzen der ursprünglichen Vorstellung in eine erste materielle Existenz, die Zeichnung. Die Vorstellung kennt keine materiellen Grenzen, Leinwand, Hand und Kohle sind aber materiell. Diese Umsetzung geht manchmal ganz schnell und leicht, dann wiederum kann es ein zäher Vorgang sein, bis hin zur Totgeburt. Nach der Zeichnung kommt aber noch die Farbe. In der Vorstellung ist die Farbe wunderbar schwebend und klingend, in der Tube ist es eine matschige Masse. Dazu kann kommen, dass ich mich bei der Farbgebung verspekuliere, viel ändern muss und nicht mehr weiss, wo ich hinkommen soll. Wenn ich also eine Bildidee habe, ist die Chance, dass das Resultat dieser Idee entspricht, sehr klein. Der ganze Arbeitsprozess besteht darin, die Materie (Leinwand, Farbe), so nahe wie möglich wieder an die Idee heranzusteuern, beziehungsweise zu beobachten, wie und wann sich etwas von der Idee im „Material“ Bild materialisiert. Nach bald 30jähriger Praxis sollte man zwar meinen, die Materie beherrschen zu können, dem ist aber nicht so. Jedes Bild ist wieder ein Kampf. Gewisse Probleme lassen sich durch Routine lösen, anderes lässt sich jedoch nicht üben. Vielleicht habe ich heute mehr technische Möglichkeiten und mehr Erfahrung als früher, dafür weniger Naivität und Unbekümmertheit. Etwas von diesen Vorgängen möchte ich mit dem Video aufzeigen.

Mir fielen die flockigen Striche auf, mit denen Sie beginnen und die aller Übermalung zum Trotz bis zuletzt sicht- oder wenigstens spürbar bleiben.

Schön, wenn es sich so verhält. Diese Technik hat mehrere Seiten. Sie erlaubt mir, mich nach und nach an das Erscheinungsbild heranzutasten, es als Ganzes aus der Leinwand „herauszukneten“. Mit unterschiedlicher Verdünnung der Farbe komme ich zudem zu verschiedenen Materialwirkungen, häufig sind die Gegenstände massiver gehalten, als die Hintergründe. Allerdings zwingt mich dieses Vorgehen auch, mich sehr früh festzulegen. Gewisse Änderungen sind nach dem Beginn des Malens nicht mehr möglich, sie würden stets störend auffallen.

Bisher haben wir von der Farbe nur als Material gesprochen, nicht aber von der Farbe in den Bildern.

Die ist meist etwas gedämpft. Reine Farben verwende ich eher selten. Zum Einen bin ich kein besonders guter Kolorist, zum Anderen glaube ich, mit gedämpften Tönen mehr Tiefe erreichen zu können, als mit greller Farbigkeit. Eine Besonderheit stellt vielleicht dar, dass ich kein Schwarz verwende; sämtliche dunklen Töne, so schwarz sie auch erscheinen mögen, sind aus Farbmischungen entstanden. Nach meiner Erfahrung hat sich das für meine Bildwelt als günstiger erwiesen.

Sie reden von der Erfahrung. Hier kommt vielleicht auch der Begriff Tradition ins Spiel. Wie profitieren Sie davon, dass andere Künstler vor Ihnen gemalt haben?

Wenn Andere vor mir nicht auch schon gemalt hätten, würde ich nicht malen. Mein Rückgriff auf die Kunstgeschichte bleibt aber weitgehend beschränkt auf das 20. Jahrhundert. (Ich kann gewisse Vorstellungen auch aus früheren Zeiten holen, ich betone: Vorstellungen, denn ich habe nicht die technischen Fähigkeiten, mich auf altmeisterlich zu trimmen). Ich baue auf der Basis des 20. Jahrhunderts auf. Einige wenige Figuren haben mich ins Malen initiiert: Magritte, Morandi, Giacometti, in chronologischer Reihenfolge, und bei den Aquarellen Cézanne. Bei Magritte habe ich die Bildwelt entdeckt, habe erstmals erlebt: Aha, so kann man die Welt auch anschauen. Das war eine Initialzündung zu einem Zeitpunkt, als ich von der Malerei noch gar nichts wusste. Später lernte ich bei Morandi viel über die Körperlichkeit des Gegenstandes während ich bei Giacometti die schier unglaubliche Präzision der Verlorenheit bewundere.

So kann man die Welt auch sehen, sagen Sie. Und Sie haben geschrieben: Wenn hinter dem, was auf den ersten Blick zu sehen ist, sich eine Welt öffnet, die sich einfacher Erklärung entzieht ... kann bisweilen ein Zustand eintreten, der bemaltem Stoff einen Hauch von Magie zuträgt. Sie arbeiten an einem Bild von der Welt?

Ich arbeite nicht an einem „Bild von der Welt“, sondern versuche nur, eine Bildwelt zu schaffen, die ich verstehe. Da mir das Gefühl, die Welt zu verstehen, ziemlich abgeht, bastle ich wie ein Modelleisenbahner an einer Welt, die ich persönlich begreifen, in der ich mich bewegen kann. Dabei habe ich keineswegs den Anspruch, dass andere Leute diese Welt auch so verstehen, wie ich. Es gibt weder Heils-, noch Unheilsbotschaften, noch gesellschaftskritische Aussagen in meinen Bildern. Wer mag, kann seine eigene Welt in die Meinige hineinprojizieren oder es bleiben lassen.

Wo bleibt denn da die Magie?


Die liegt in der Tatsache, dass es möglich ist, mit Pinsel und etwas Paste auf einer Leinwand für mich eine Art Heimat herzustellen. Aber dies ist nur für mich von Bedeutung, ich erwarte nicht, dass sich diese Magie auf die Betrachter überträgt.

Der Bildbetrachter kommt in Ihren Ueberlegungen aber doch immer wieder vor?


Genau darum.

Wie bitte?


Ich will keine bestimmte Aussage an den Betrachter herantragen. Darum ist mir sehr wichtig, dass die Betrachter frei sind, meine Arbeiten so anzuschauen, wie sie das wollen. Negative Reaktionen sind mir genauso lieb, wie positive. Ich will in meinen Bildern eine bestimmte Wirkung haben, die für mich gilt. Für den Betrachter kann etwas ganz anderes gelten.

Aber Sie malen ihre Bilder ja nicht nur für sich selbst?

Nein, aber auch nicht für einen bestimmten Betrachter, dem ich eine Botschaft übermitteln muss. Ich vertraue auf die Wahrnehmungsfähigkeit der Betrachter. Ich male Bilder und keine Ansichten, die ich in die Köpfe anderer stopfen will. Mich interessiert nur, Bilder zu machen, die nicht nach ein paar Minuten schon langweilen.

Dann gibt’s da auch noch die Aquarelle...

Das ist eine ganz andere Geschichte: Initiation war die Begegnung mit den Aquarellen Cézannes anfangs der Achtzigerjahre, die mir wie ein Paukenschlag die Möglichkeiten des Aquarells eröffnete. Seither habe ich zu meinem Vergnügen immer wieder Landschaftsaquarelle gemacht. Dann kam die grosse Ausstellung im Rathaus Aarau, in der ich neben den Ölbildern etwas Spezielles zeigen wollte. Bloss „wässrige“ Stadtansichten sollten es aber nicht sein, also versuchte ich Fotos in den Stadtfarben Rot ,Weiss und Schwarz umzusetzen. Daraus entstand das Aarau - Projekt, 47 Blätter in roter Aquarellfarbe und schwarzer Tusche, ziemlich gestisch und reduziert gehalten. Damit hatte sich mir ein neues Feld aufgetan. Für eine Ausstellung in Brunnen entstand später eine ähnliche Serie nur in Tusche und inzwischen noch eine farbthematische Arbeit zu den Jahreszeiten. Für diese Ausstellung nun habe ich eine Reihe von 36 Blättern mit dem Titel „Parole“ bereit. Im Gegensatz zu den Ölbildern entstehen diese Aquarelle impulsiv, aus einer Stimmung heraus. Da gibt es kein Planen und langes Herantasten, entweder es sitzt, oder sonst fort damit. Auf den ersten Blick lassen sich die Aquarelle und die Ölbilder kaum zusammenbringen. Aber etwas von der klaren Aufteilung der Ölbilder findet sich auch in den hingehauenen Farbfetzen der Aquarelle wieder, nur dass diese überhaupt nicht mehr mit Inhalt beladen sind.

Wo würden Sie denn Ihre Foto- und Filmarbeiten, die Sie auch noch machen, einordnen?

Malerei erfasst längst nicht alle visuellen Problemstellungen, die mich ansprechen. Wenn ich, wie oben erwähnt, den Entstehungsprozess eines Bildes filmisch ablaufen lasse und das Bild selbst daneben hänge, geht das über die blosse Dokumentation hinaus. Es dauert mehr als vier Minuten, bis das endgültige Bild sich zeigt, zuvor tauchen all die „Bilder“ auf, die unter der Oberfläche stecken. Damit greife ich ein in den gewohnten Ablauf der Wahrnehmung des Bildes und lenke ihn in eine andere Bahn. An die Stelle des Erfassens auf einen Blick tritt das Folgen einer bildlichen Spur bis zu ihrem Ende. Habe ich diesen Ablauf einmal so gesehen, kann ich ihn vor dem innern Auge natürlich auch umkehren und das Bild rückwärts zum Anfang verfolgen. Das wäre dann, etwas geschwollen gesagt, die Dekonstruktion der Bildwahrnehmung. Was mich dabei interessiert, ist das Hinterfragen meines eigenen Tuns in der Malerei: Was ist überhaupt an einem Bild dran?Eine etwas andere Sache ist die Fotoarbeit über die Cabina A, ein altes Stellwerk im Bahnhof Mailand. Diese ist aus einem Reiseschnappschuss und der Neugier über die Möglichkeiten der digitalen Fotobearbeitung im Computer entstanden. Zuerst veränderte ich die Farbe des Gebäudes, dann schickte ich das Gebäude selbst auf Wanderung in andere Umgebungen. Letztlich ging es aber auch dabei wieder um die Hinterfragung von Wahrnehmung durch Veränderung. Da der Ausgangspunkt ein reales Objekt war, erschien mir eben die Fotografie, resp. deren Umsetzung in eine Szenenfolge das richtige Mittel. Meine Malerei eignet sich dafür nicht.Derzeit arbeite ich einer Animation, die sowohl Fotos, wie auch Elemente aus meiner Malerei enthalten soll. Wie genau das aussehen wird, kann ich jedoch noch nicht sagen.

Martin Meyer, Urban Saxer, Sept.2006

Geliehene Furcht
2006, Oel auf Leinwand, 60 x 90 cm
 

 




Schmale Wahrheit
2005, Oel auf Baumwolle, 55 x 50 cm
 
Feuerwerk
2006, Oel auf Leinwand, 60 x 90 cm